Gehirn Aufbau und Funktionen

Feb 12, 2024Von Paddy Kälin
Paddy Kälin

Das Gehirn ist eines der faszinierendsten Organe des menschlichen Körpers. Es ist das Steuerzentrum für alle körperlichen und geistigen Funktionen und spielt eine entscheidende Rolle in nahezu allen Aspekten des täglichen Lebens.

Es macht nur etwa 2% unseres Körpergewichts aus, verantwortet aber 20% unseres täglichen Energieumsatzes. Kein Wunder, denn unser Gehirn liefert täglich Höchstleistungen.

Aufbau des Gehirns

Das Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die als Neuronen bezeichnet werden. Aktuellste Schätzungen gehen von 80 bis 100 Milliarden Nervenzellen aus, die in ihrer Gesamtheit unser Gehirn bilden. Diese Neuronen sind miteinander verbunden und bilden komplexe Netzwerke, die für die Informationsverarbeitung und -übertragung im Gehirn verantwortlich sind. Das Gehirn ist in verschiedene Bereiche unterteilt, die jeweils spezifische Funktionen haben, wie z.B. das Großhirn, das Kleinhirn und das limbische System.

brown brain decor in selective-focus photography

Das Handmodell des Gehirns

Als Dan Siegel, ein amerikanischer Professor für Psychiatrie, in seiner Arbeit mit Kindern den Aufbau und die Funktionen des Gehirns erklären musste, erschuf er ein einfaches, verständliches und dennoch treffendes Modell: das Handmodell des Gehirns.

Handmodell des Gehirns nach Dan Siegel

Der Unterarm symbolisiert die Wirbelsäule und das Rückenmark. Der Handballen steht für den Hirnstamm. Der Daumen wird in die Handfläche geklappt und kommt so im Innern, im Zentrum des Gehirnmodells zu liegen. Es handelt sich hier um das sogenannte limbische System. Die anderen 4 Finger legen sich um den Daumen und stehen für die Grosshirnrinde (Neocortex).

Die Funktionen des Gehirns

Im Gehirn laufen viele Prozess vollständig autonom und unbewusst ab. So kontrolliert und steuert unser Hirnstamm zum Beispiel überlebenswichtige Funktionen wie das Herz-Kreislaufsystem und die Atmung. Dann gibt es Areale im limbischen System, in denen Emotionen entstehen und unser Verhalten unbewusst steuern. Auch Lern- und Gedächtnisprozesse werden stark von einigen Strukturen des limbischen Systems beeinflusst. In der Grosshirnrinde wird beispielsweise die willkürliche Bewegung unseres Bewegungsapparates gesteuert. Und im vorderen Bereich der Grosshirnrinde, im sogenannten präfrontalen Cortex (PFC) finden Prozesse wie Denken, Planen oder Impulskontrolle statt. Die Grosshirnrinde wurde schon vor mehr als hundert Jahren erforscht und in verschiedene funktionale Areale unterteilt.

Lokalisationstheorie nach Brodmann

Korbinian Brodmann, ein deutscher Neuroanatom und Psychiater, veröffentlichte im Jahr 1909 seine wissenschaftliche Arbeit zur Zellarchitektur der Grosshirnrinde. Er unterteilte diese in 52 Funktionsareale.

Brodmann Areale im Gehirn

Die Lokalisationstheorie besagt, dass jedes Areal eine ganz genau definierte Funktion erfüllt. So ist Areal 4 beispielsweise zuständig für motorische Steuerung unserer Skelettmuskulatur und wird deshalb primärmotorischer Cortex genannt. Areal 17, die primäre Sehrinde, ist zuständig für die Verarbeitung von optischen Reizen.

Die Areale 44 & 45 werden als Broca-Areal bezeichnet. Sie tragen den Namen eines französischen Chirurgen, der diese Areale bereits 1861 entdeckte. Areal 22, das Wernicke-Zentrum ist benannt nach dem deutschen Neurologen Carl Wernicke, der diese Struktur schon 1874 entdeckte.Das Broca-Areal und das Wernicke-Zentrum sind die beiden Hauptkomponenten unseres Sprachzentrums.

Die 52 Brodmannareale haben noch heute Gültigkeit. Allerdings hat sich die Sichtweise darauf in den letzten Jahren drastisch geändert.

Neuronale Plastizität

Der amerikanische Paul Bach-y-Rita war ein amerikanischer Neurophysiologe. Er beschäftigte sich vor allem mit der Rehabilitation von Gehirnverletzungen. Mit seinen Experimenten wurde Paul Bach-y-Rita zu einem Pionier der sogenannten Neuroplastizität. Schon 1969 entwickelte er eine Apparatur, mit deren Hilfe erblindete Menschen wieder "sehen lernten". Bach-y-Rita und seine Forschungskollegen übersetzten von einer Kamera aufgenomme Bilder in Vibrationssignale, die die Versuchspersonen über eine am Rücken angebrachte Platte wahrnehmen konnten. Das Gehirn der blinden Personen lernte diese Vibrationen zu interpretieren. Die Menschen konnten plötzlich wieder ihre Umgebung wahrnehmen.

Paul Bach-y-Rita Apparatur 1969

Mit modernen Methoden der funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) konnte man dieses Phänomen später dann auch erklären. In den Experimenten von Bach-y-Rita wurde zum Beispiel Brodmannareal 17 - das ja keine optischen Reize der Augen mehr empfing - umgenutzt, um die sensorischen Reize der Rückenplatte zu übersetzen und zu interpretieren.  Unser Gehirn besitzt also im Bedarfsfall die Fähigkeit sich umzubauen und neu zu organisieren. Es ist in höchstem Masse plastisch. 

Das ist ein äusserst faszinierendes Merkmal des Gehirns. Alles, was wir sehen, denken oder erleben, baut unser Gehirn auf biochemischer Struktur um - ständig und ein Leben lang.

Zusammenfassung

Das Gehirn steuert eine Vielzahl von lebenswichtigen Funktionen, darunter Bewegung, Sprache, Gedächtnis, Emotionen und vieles mehr. Es verarbeitet sensorische Informationen, interpretiert sie und leitet entsprechende Reaktionen ein. Darüber hinaus ist das Gehirn der Sitz des Bewusstseins und der Persönlichkeit eines Menschen. Das Gehirn ist ein erstaunliches, komplexes und hochgradig plastisches Organ, das uns ermöglicht, die Welt um uns herum wahrzunehmen, zu verstehen und auf sie zu reagieren.