Stress ist sympathisch, aber ungesund

Paddy Kälin
Jul 01, 2024Von Paddy Kälin

Das Vegetative Nervensystem

Das vegetative Nervensystem wird auch als autonomes Nervensystem bezeichnet. Es arbeitet grösstenteils selbstständig ohne unser bewusstes Zutun und spielt eine zentrale Rolle in unserem Körper. Das vegetative Nervensystem steuert viele überlebenswichtige Prozesse wie Herzschlag, Blutdruck, Atmung, Körpertemperatur und Verdauung. 

Das autonome, vegetative Nervensystem setzt sich genau genommen aus drei Anteilen zusammen: dem Sympathikus, dem Parasympathikus und dem enterischen Nervensystem (Darmnervensystem). Der folgende Text geht dabei ausschliesslich auf das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus ein.

Sympathikus vs Parasympathikus

Es gibt ein einfaches Sprichwort, das die generelle Aufgabenteilung der beiden Untersysteme des vegetativen Nervensystems gut beschreibt.

Der Sympathikus jagt den Tiger. Der Parasympathikus verdaut ihn.

Das sympathische Nervensystem ist für die "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion verantwortlich. Wird der Sympathikus aktiviert, steigen Herzfrequenz und Blutdruck, nimmt der Muskeltonus zu und wir atmen schneller. Das ist die natürliche "Stressreaktion", um uns leistungsfähiger zu machen und - evolutionär betrachtet - so unser Überleben zu begünstigen.

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Nach einer Stresssituation braucht unser Organismus zwingend eine Erholungsphase. In dieser übernimmt der Parasympathikus das Zepter. Seine Aktivität hilft dem Körper, sich zu beruhigen und in den Ruhezustand zurückzukehren. Herzfrequenz und Blutdruck sinken, die Muskelspannung nimmt ab und die Atmung normalisiert und verlangsamt sich wieder.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Sympathikus die Leistung fördert, währenddem der Parasympathikus die Erholung begünstigt. Gesteuert wird dieses Zusammenspiel, das sich normalerweise in einem Gleichgewicht befindet von Regionen im Hirnstamm und im Hypothalamus.

Stress

Stress als solches ist nicht negativ für unseren Körper. In der Vergangenheit haben wir dank des Stressmechanismus' überlebt. Früher lösten Hunger, Durst, Kälte, Hitze, wilde Tiere oder feindliche Menschen unseren Stress aus und brachten uns damit ins Handeln. Dennoch hatten die Menschen damals immer wieder auch Phasen der Erholung.  In unserer modernen Welt stressen uns freilich andere Dinge: Leistungsdruck, Multitasking, psychosozialer Druck, Lärm, Bewegungsmangel, unregelmässiger Schlaf oder unausgewogene Ernährung.

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Im Gehirn ist Stress ein 3-teiliges Notfallprogramm:

1) Alarmphase

Der Hypothalamus stimuliert das sympathische Nervensystem, das wiederum die Nebennierenrinde aktiviert und so die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin fördert.

2) Handlungs- oder Widerstandsphase

In dieser Phase des erhöhten Energiebedarfes werden Zucker und Fett aus den Körperdepots mobilisert. Gleichzeitig werden die Entzündungsprozesse im Körper gehemmt. All dies wird durch die Stresshormone vermittelt und begünstigt.

3) Erholungsphase

Durch eine erhöhte Aktivität des Parasympathikus werden die verbrauchten Ressourcen in dieser Phase wieder aufgefüllt und die Stresshormone resorbiert.

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Gesundheitliche Folgen von Dauerstress

Dauerstress bedeutet, dass die dritte Phase des gerade beschriebenen Notfallprogramms zu kurz kommt. Das Gleichgewicht zwischen dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem gerät aus den Fugen. Das kann zu gesundheitlichen Problemen führen. Die Folgen von Dauerstress sind vielfältig. Das Immunsystem kann geschwächt sein und die Anfälligkeit für Infekte nimmt zu. Menschen können unter Schlafstörungen, Depressionen, Kopf-, Nacken- oder Bauchschmerzen leiden oder über Verdauungsprobleme klagen. Dauerstress kann Blutdruckhochdruck und sogar zu Herzkrankheiten führen.

Nicht wenige von uns werden exakt zu Beginn der Ferien krank. Der gestresste Körper nimmt sich auf diese Weise sein Recht auf Phase 3, die zuvor lange zu kurz gekommen war.

Stress abbauen

An dieser Stelle möchte ich 5 Möglichkeiten erwähnen, die dazu beitragen können das Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus wieder herzustellen.

Schlaf

Regelmässiger und erholsamer Schlaf ist ein wesentlicher Faktor zum Abbau von Stress. Zu empfehlen sind rund 8 Stunden und zwar zu möglich festen Zeiten.

Tagesplanung und Stapeln

Inseln für gewisse Aufgaben schaffen, hilft dabei sich auf eine Sache zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit nicht ständig von einer auf eine andere Tätigkeit zu lenken. Daneben ist es auch hilfreich Pausen fest einzuplanen.

Bewegung

Wenn wir uns bewegen, unterstützen wir unseren Organismus dabei Stresshormone auf einem natürlichen Weg abzubauen. Regelmässige Bewegung bei mittlerer Intensität reicht dabei völlig aus.

Ernährung

Eine ausgewogene Ernährung ist aus diversen Gründen zu empfehlen. Im Umgang mit Stress ist dabei vor allem zu beachten, dass weder Stress-Futtern oder Stress-Hungern ideal sind und den Körper noch zusätzlich belasten. Ausserdem ist es sehr empfehlenswert sich bewusst Zeit für das Essen zu nehmen.

Atemübungen

Atemübungen sind eine einfache Methode, um das parasympathische Nervensystem zu aktivieren. Eine langsame, tiefe Bauchatmung durch die Nase ist dabei besonders hilfreich und empfehlenswert. Atemübungen kann man jederzeit und überall durchführen. Von daher sind sie besonders geeignet, um Stress abzubauen.

Woman meditating outdoors, taking a deep breath with eyes closed

In gewissen Fällen reichen oben genannte Techniken alleine nicht aus, um Stress zu regulieren. In solchen Fällen kann professionelle Unterstützung hilfreich sein. Ein Coach oder Therapeut kann individuelle Techniken zur Stressbewältigung vermitteln und begleiten.