Atmen und riechen - eine uralte Superkraft
Atmung und Riechsinn hängen anatomisch stark zusammen, erfüllen aber unterschiedliche Funktionen.
Der Riechsinn
Wir Menschen sind zwar keine Schnüffeltiere und bevorzugen optische oder auditive Reize, um unsere Umwelt wahrzunehmen. Dennoch sollten wir den menschlichen Riechsinn nicht unterschätzen.
Unser Riechsinn und unser Riechhirn gehören zu den biologischen ältesten Strukturen in unserem Hirn. Hier werden chemische Reize verarbeitet (Augen und Ohren nehmen physikalische Reize wahr). Zuständig dafür ist unser Riechepithel ganz oben in der Nasenhaupthöhle mit einer Fläche von rund 10 Quadratzentimetern.
Schutzfunktion
Für den Menschen hat der Geruchssinn in erster Linie eine Schutzfunktion. Er schützt uns davor Schadstoffe einzuatmen (z.B. Rauchbildung bei Feuer) oder er warnt uns davor verdorbene Lebensmittel zu konsumieren. Im Notfall reagiert der Körper mit nicht zu unterdrückenden Schutzreflexen wie Husten, Niesen oder Würgen.

Fortpflanzung
Der Geruchssinn trägt aber auch zur Steuerung der Fortpflanzung bei. Der Eigengeruch jedes Menschen ist genetisch determiniert. Je näher wir verwandt sind, desto ähnlicher der Eigengeruch. Menschen suchen sich für die Paarung - unbewusst - möglichst andere Gerüche. Denn mit möglichsten anderen Genen kann der Immunpool zur Abwehr vergrössert werden. Freundschaften entstehen hingegen oft bei ähnlichen "Geruchsgenen".

Die Aussage:
Ich kann Dich nicht riechen!
...hat also eine grössere Bedeutung und Evidenz, als uns möglicherweise bewusst ist.
Gedächtnisbildung und emotionale Bewertung
Wir können gewisse Menschen nicht riechen. Bei anderen hingegen erregt uns der Geruch sogar sexuell. Bei ekelerregenden Gerüchen überkommt uns ein Brechreiz, während uns beim Anblick von schmackhaften Speisen das Wasser im Mund zusammenläuft. All dies geschieht automatisch, schnell und unbewusst. Und zwar deshalb, weil der Geruchssinn eine direkte neuronale Verbindung zu den Amygdalae (Mandelkerne) hat. Die Amygdalae spielen bei der emotionalen Bewertung aller Reize (nicht nur von Geruchsreizen) die zentrale Rolle. Als einzige von allen Sinnesreizen kommen die Geruchsreize ungefiltert und direkt zu den Amygdalae. Das erklärt die starke emotionale Färbung von Gerüchen.
Auch zu den Hippocampi (eine zentrale Struktur bei der Bildung neuer Gedächtnisinhalte) hat der Riechnerv eine direkte Verbindung. Deswegen werden Gerüche - vor allem in emotional starken Situationen - sehr schnell und dauerhaft gespeichert.
Der Duft von Panini-Sammelbildern lässt uns sofort zurück in unsere Schulzeit gleiten. Oder der Geruch einer bestimmten Seife versetzt uns schlagartig zurück in die Geborgenheit von Omas Wohnung.

Dass der Geruchssinn eine ungefilterte und direkte Verbindung zu wichtigen Strukturen der Gedächtnisbildung und emotionalen Bewertung hat, macht sich auch das Marketing zunutze. So werden in Supermarkts, Hotels oder Restaurants sehr dezent, aber ganz bewusst Düfte eingesetzt. Die KundInnen erleben so das Gesamterlebnis angenehmer und sind auch eher bereit Geld auszugeben. Überdies beeinflussen die Düfte die Erinnerung des Erlebnis' positiv. Die Chance, dass die KundInnen wieder kommen, steigt.
Dieses Duftmarketing wirkt unbewusst und ist deshalb auch nicht unumstritten, da es zumindest an Manipulation grenzt.
Geschmackswahrnehmung
Der Riechnerv spielt auch eine Rolle bei der Geschmackswahrnehmung. Der Duft der Nahrung, die wir kauen, gelangt über den Rachen (quasi über den Hintereingang) auch in die Nasenhöhle und damit zum Riechepithel. Der Geruch spielt eine zentrale Rolle bei der Geschmackswahrnehmung. Wie wichtig dieser Teil der Wahrnehmung ist, merken wir, wenn wir z.B. erkältet sind. Wir haben eine verstopfte Nase und die Nahrung schmeckt plötzlich nicht mehr so stark, wie gewohnt. Fazit: ohne Geruchssinn wäre unser Geschmackssinn stark eingeschränkt.

Atmung
Die Atmung ist ein grundlegender Prozess des menschlichen Körpers. Sie versorgt unsere Zellen mit Sauerstoff und entfernt Kohlendioxid. Ohne Atmung könnten wir nicht überleben.
Ein erwachsener Mensch atmet in Ruhe etwa 12-15 Mal pro Minute ein. Pro Atemzug wird etwa ein halber Liter ein- bzw. ausgeatmet. Das ergibt ein Atemvolumen pro Minute von etwa 7 Litern.
Der Gasaustausch (Sauerstoff und Kohlendioxid) findet in den Alveolen (Lungenbläschen) statt. Die menschliche Lungen haben etwa 300 Millionen solcher Alveolen mit einer Gesamtoberfläche von rund 100-140 Quadratmetern.

Menschen sind gesteuert durch Kohlendioxid
Die Atmung läuft autonom ab. Wir können sie zwar willentlich beeinflussen. In der Regel müssen wir uns aber nicht bewusst darum kümmern. Das autonome Atemzentrum liegt im Gehirnstamm. Chemische Fühler, die in den Blutgefässen des ganzen Körpers verteilt sind, melden dem Gehirnstamm die Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentration. Und obwohl unser Organismus Sauerstoff benötigt, um überleben zu können, so ist doch der Kohlendioxidgehalt im Blut die massgebende Stellgrösse, über die der Hirnstamm unsere Atmung reguliert.
Wenn wir das Gefühl haben keine Luft mehr zu bekommen, dann ist das auf den zu hohen Kohlendioxidgehalt zurückzuführen und nicht etwa auf einen tiefen Sauerstoffgehalt. Schön zu beobachten ist dieses Phänomen zum Beispiel beim Zieleinlauf eines Langstreckenrennens. Die erschöpften LäuferInnen atmen zuerst einmal tief....aus. Dadurch wird Kohlendioxid ausgestossen.
Vorteile der Nasenatmung
Gegenüber der Atmung durch den Mund hat die Nasenatmung diverse Vorteile. So wird die eingeatmete Luft bei der Nasenatmung durch die Härchen und Schleimhaut angefeuchtet, gereinigt und erwärmt.
Ausserdem erhöht die Nasenatmung die Konzentration von Stickstoffmonoxid (gebildet in den Nasennebenhöhlen) des Gasgemischs. Dies führt zu einer Vergrösserung der Oberfläche von Alveolen und Gefässkapillaren, was letztlich den Gasaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid verbessert.
Desweiteren kann die Nasenatmung bei entsprechendem Training die Leistungsfähigkeit erhöhen, die Erholung verbessern, die Schlafqualität positiv beeinfluss und sogar entzündungshemmend wirken.
Zusammengefasst aktiviert die Nasenatmung den Parasysmpathikus (vegetatives Nervensystem), während die Mundatmung Stress bedeutet und eher den Sympathikus befeuert.
Kontrolliere Deine Atmung, um Dein Herz zu kontrollieren, um Dein Gehirn zu kontrollieren.
Tatsächlich können wir mit speziellen Atemtechniken unsere Herzratenvariabilität (HRV), die in Korrelation mit der parasympathischen Aktivität steht, hezielt beeinflussen und so auch eine positive Emotionsregulation bewirken.